Die neue Normalität in der Arbeitswelt (3/3)

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Praxistipps für die erfolgreiche Einführung von hybridem Arbeiten

Teil 1 und Teil 2 dieser Blogserie behandelten zwei gegensätzliche Modelle der neuen Normalität in der postpandemischen Arbeitswelt: Die Remote-First- und die Büropräsenzstrategie.

Teil 3 behandelt das weite Mittelfeld zwischen diesen beiden Extremen: das Hybriden Arbeiten.

Hybrides Arbeiten Arbeitsplatzstrategie2

Hybrides Arbeiten scheint das wahre New Normal der postpandemischen Arbeitswelt zu werden. Die meisten Unternehmen beschäftigt sich gerade mit dieser Strategie.

Welche Chancen bietet diese Arbeitsplatzstrategie für das Unternehmen und worauf ist bei der Umsetzung besonders zu achten? Der dritte und damit letzte Teil dieser Blogserie beschäftigt sich genau mit diesen Fragen.

1.1 Chancen und Risiken hybrider Arbeitswelten

Hybrides Arbeiten vereint die Vorteile mobiler Arbeit auf Distanz mit den Vorteilen der Präsenzarbeit im Büro. Die Ausgestaltungsmöglichkeiten sind dabei vielfältig und meist findet man einen bunten Mix vor, bei dem manche Mitarbeiter ausschließlich remote im Homeoffice arbeiten, andere ausschließlich im Büro und wiederum andere abwechselnd sowohl im Büro als auch im Homeoffice und mobil von unterwegs.

Prominente Beispiele dieser Arbeitsplatzstrategie sind die beiden IT-Giganten Google und Microsoft.

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Photo Credit: Google

Genauso, wie diese Arbeitsplatzstrategie die Chancen beider Welten vereint, so birgt sie auch das große Risiko, zu einem schlechten Kompromiss zu werden. Was überwiegt, die Chancen oder die Risiken, hängt letztlich wie immer von der Umsetzung ab. Gut umgesetzt überwiegen die Vorteile beider Welten, schlecht umgesetzt die Nachteile.

Klar ist: Dieses Modell ist das komplexeste von allen dreien. Die möglichen Stolperfallen bei der Umsetzung sind nicht unerheblich. Nichtsdestotrotz ist sie die populärste Strategie, wie viele Umfragen derzeit feststellen. So verfolgen neun von zehn Unternehmen diese Strategie, wie eine international durchgeführten Umfrage des Beratungsunternehmens McKinsey zeigt. Der Büromöbelhersteller Steelcase kommt in einer ebenfalls international durchgeführten Umfrage zu ähnlichen Ergebnissen (Quellenangaben siehe am Ende dieses Blogbeitrags).

Hybride Arbeitsumfelder scheinen somit zum wahren New Normal der postpandemischen Arbeitswelt zu werden.

1.2 Worauf Sie bei der Einführung von hybriden Arbeiten unbedingt achten sollten

Will man hybrides Arbeiten erfolgreich einführen, so gilt es viele unterschiedliche Aspekte zu beachten. Nachfolgend jene, die unserer Erfahrung nach besonders relevant sind:

1.2.1 Passen Sie das Arbeitsplatzkonzept den neuen Bedingungen an

Die Einführung hybrider Arbeitsumgebungen geht fast automatisch einher mit der Einführung von neuen Arbeitsplatzkonzepten. Wenn ein bestimmter Anteil an Mitarbeitern nicht mehr vor Ort im Büro arbeitet, ist es wirtschaftlich nicht mehr tragbar, für jeden Mitarbeiter einen persönlich zugeordneten Arbeitsplatz vorzuhalten. Hybride Arbeitsumfelder gehen daher zwangsweise einher mit der Einführung geteilter Arbeitsplätze bzw. Shared Desk.

Bei Shared Desk-Arbeitsplätzen teilen sich eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern einen Schreibtisch. Je nach Verhältnis zwischen Arbeitsplatz und Mitarbeiter ergeben sich so unterschiedliche Desk-Sharing-Quoten. Bei der Ermittlung dieser gilt es verschiedene Aspekte zu berücksichtige. Hierzu zählen Anstellungsverhältnisse (Vollzeit, Teilzeit), Arbeitszeitenregelungen, Mobilität und Arbeitsweisen der Mitarbeiter und einige andere mehr.

1.2.2 Nutzen Sie die Chance, Führung auf Augenhöhe Realität werden zu lassen

Die Einführung von Shared Office bietet die einmalige Chance, Hierarchien abzubauen. Bezieht man nämlich auch die Arbeitsplätze der Führungskräfte in das Shared Office-Konzept mit ein, so kommt es auch zu einer stärkeren Durchmischung von Mitarbeitern und Führungskräften. Führungskräfte werden von den Mitarbeitern als „einer von ihnen“ wahrgenommen. Das fördert den Austausch im Unternehmen und erleichtert eine Führung auf Augenhöhe - ein Führungsstil, der von der neuen Generation fast schon erwartet wird.

1.2.3 Schaffen Sie Räume für persönliche Begegnung und sozialen Austausch

Die durch das Shared Office freiwerdende Flächen senken den Flächenbedarf für Arbeitsplätze. Diese freiwerdenden Flächen können genutzt werden, um die Kosten zu reduzieren, jedoch auch, um die Produktivität zu steigern und die Unternehmenskultur zu verbessern.

Anstatt die freiwerdenden Flächen dem Rotstift zu opfern, ist es meist sinnvoller, sie für attraktive, zusätzliche Raumangebote zu nutzen. Raumangebote, die die Produktivität, die Kommunikation, die Zusammenarbeit und die Kultur des Unternehmens verbessern. Beispiele solcher zusätzlichen Raumangebote sind:

  • Rückzugsräume für konzentriertes Arbeiten oder zur Regeneration
  • Huddle Spaces für spontane Abstimmungen,
  • Working Lounges für sozialen Austausch und persönliche Begegnung
  • Webinar-Räume für Trainings, Schulungen und Social Media Marketing
  • Kreativräume für Innovationsprojekte und agiles Arbeiten
  • uam.

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Beispiel eines Huddle Space, NEVEON Headquarters, Wien. Photo Credit: SYMBIOS

Unter der Bezeichnung Activity Based Working, aktivitätsorientiertes Arbeiten, waren diese Raumkonzepte schon vor Corona populär. Nun erfahren sie einen zusätzlichen Aufwind, da nach Abklingen der Social Distancing-Regeln der Wunsch nach persönlichem Kontakt, direkter Kommunikation und sozialer Begegnung bedeutsamer sind als jemals zuvor.

Letztlich sind dies auch genau die Ingredienzien, die dafür sorgen, dass sich Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizieren und sich mit ihm verbunden fühlen. Sie sind somit unerlässlich für attraktive Unternehmenskulturen und starke Arbeitgebermarken.

1.2.4 Stärken Sie die Selbstführungskompetenz Ihrer Mitarbeiter und Teams

Hybrides Arbeiten geht einher mit neuen Arbeitsroutinen, die höhere Ansprüche an die Eigenverantwortung und Selbstführungskompetenz der Mitarbeiter stellen.

Mitarbeiter entscheiden anhand der anstehenden Aufgaben des Tages, wann sie wo arbeiten und wen sie wann und wie treffen. Dadurch entstehen völlig neue Tagesabläufe, die jeden Tag aufs Neue ganz anders sein können. Jeden Tag zur gleichen Zeit zur Arbeit zu fahren, das Büro zu betreten, den PC hochzufahren und sich einen Kaffee zu holen…. diese typische Alltagsroutine vieler Büroarbeiter der westlichen Gesellschaft gehört der Vergangenheit an.

Bei der Frage, wie selbstbestimmt Mitarbeiter festlegen können, wann und wo sie arbeiten, unterscheiden sich jedoch die Arbeitgeber. Der amerikanische Büromöbelhersteller Steelcase führte hierzu eine internationale Umfrage unter Führungskräften aus acht Nationen durch und kam dabei zu folgenden Ergebnis:

  • In 23 % der Fälle entscheidet das Unternehmen, an welchen Tagen der Mitarbeiter im Büro sein muss.
  • In 31 % der Fälle entscheiden die Mitarbeiter jeden Tag aufs Neue selbst, wo sie arbeiten.
  • In 46% der Fälle legen die Mitarbeiter selbst fixe Tage fest, an denen sie im Büro arbeiten.

Der überwiegende Teil der Arbeitgeber dieser Umfrage überlässt somit die Wahl des Arbeitsortes selbstbestimmt den Mitarbeitern (Quellenangabe am Ende dieses Beitrags). Hierzu ist es wichtig, die dafür notwendigen Kompetenzen der Mitarbeiter zu fördern und sie mit den passenden Werkzeugen auszustatten.

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Beispiel einer Buchungs- und Find-A-Colleague-App (Credits: Condeco)

1.2.5 Nutzen Sie die Chance zur Verbesserung der internen Kommunikation

Im Zuge der Einführung von hybriden Arbeitsumfeldern macht es Sinn, das bestehende Kommunikations- und Meetingverhalten der Mitarbeiter kritisch zu evaluieren und zu verbessern.

Viel zu oft werden Meetings einberufen, ohne zu hinterfragen, ob der Zweck des Meetings nicht auch anders, zum Beispiel durch asynchrone Kommunikation effizienter realisiert werden kann. Das Ergebnis: ein Meeting jagt das andere. Corona hat diese Problematik nochmals verschärft, da es nun viel einfacher ist, schnell mal ein Meeting einzuberufen und sicherheitshalber mehr als weniger Teilnehmer einzuladen.

Die Einführung von hybrider Arbeitsumfelder ist somit eine gute Chance, um den Meeting-Marathons Einhalt zu bieten, neue, effizientere Formen der Kommunikation einzuführen und die Anzahl der Besprechungen zu reduzieren. Dabei sollte auch die Anzahl notwendiger Besprechungsräume hinterfragt werden. Auch sollte überlegt werden, ob es anstelle des klassischen Besprechungsraumes nicht auch bessere Raumalternativen gibt.  

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Working Lounge, 3D-Visualisierung eines SYMBIOS-Projektes

1.2.6 Achten Sie auf gleichberechtigte Teilhabe der Mitarbeiter

In hybriden Besprechungen ist es für alle anstrengend, wenn die zugeschalteten Besprechungsteilnehmer nicht gut sichtbar sind oder nicht gut gehört werden.

Meist liegt es am schlechten Zusammenspiel zwischen dem Raum und der digitalen Tools. Beim Design hybrider Arbeitswelten ist daher insbesondere auf eine gute Integration von Monitoren, Kameras, Mikrofonen, Beleuchtung und Lautsprechern im Raumsetting zu achten.

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Photo Credits: Steelcase

1.2.7 Achten Sie auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter

Corona hat uns Menschen zusätzlich sensibilisiert, wie wichtig Gesundheit und Wohlbefinden für die Leistungsfähigkeit sind.

Die Zunahmen an Remote-Arbeit läuft diesem Bedürfnis jedoch diametral entgegen, wie eine aktuelle, weltweit durchgeführte Befragung des IT-Dienstleisters NTT unter 1.146 leitenden Angestellten sowie 1.400 Mitarbeitern zeigt. Dieser Befragung zufolge beurteilt die Mehrheit der Befragten die während der Pandemie erfolgte Zunahme von Remote-Arbeit kritisch:

  • 74% der Befrachten finden, dass sich dadurch die Unternehmensleistung verschlechtert hat
  • 60% der Personalverantwortlichen meinen, dass sich dadurch das Wohlbefinden der Mitarbeiter verschlechtert hat

So dramatisch die Ergebnisse dieser Umfrage sind, so sie bieten gleichzeitig eine große Chance, sich als Arbeitgeber im "War for Talents" mit einer entsprechender Workplace Experience von anderen Arbeitgebern zu unterscheiden.

1.3 Was es braucht, damit hybrides Arbeiten gelingt?

Ohne lange Umschweife: Damit der Wechsel zu hybriden Arbeiten gelingt, braucht es vor allen Dingen eine entsprechende Führung.

Hybride Arbeitswelten stellen Führungskräfte jedoch vor besonderen Herausforderungen.

So wird nicht nur das Onboarding neuer Mitarbeiter herausfordernder sondern generell das Teambuilding und Teamentwicklung.

Auch ist besonders darauf zu achten, dass Mitarbeiter, die nicht oder nur selten im Büro sind, nicht Gefahr laufen, benachteiligt zu werden.

Daher braucht es oftmals neue Teamvereinbarungen und neue soziale Kontrakte, um ein produktives, auf Vertrauen basiertes Miteinander im hybriden Umfeld sicherzustellen.

Auch ist es ratsam, sich über neue Formen der Leistungsbeurteilung Gedanken zu machen. Formen, die nicht mehr die Anwesenheitszeit sondern die Ergebnisse und gemeinsam erreichte Ziele zur Grundlage haben. Hierbei können auch Methoden des Peer-Feedbacks durch Kollegen und Kolleginnnen eine wichtige Rolle spielen. 

Hybride Arbeitsumfelder stellen zudem auch noch erhöhte Anforderungen an die Moderations-, die Gesprächsführungs-, die Kommunikations-, die Konfliktlösungs- und die Feedbackkompetenz. Kompetenzen, die für Führungskräfte und Teams schon vor Corona wichtig waren, die jedoch im hybriden Umfeld noch einmal zusätzliche Bedeutung erlangen.

New Work und New Leadership sind daher Themen, mit denen sich Führungskräfte spätestens jetzt auseinandersetzen sollten, um den Anschluss nicht zu verlieren.

1.4 Zusammenfassung

Es ist mittlerweile fast schon eine Binsenweisheit: Corona beschleunigte die Einführung neuer Arbeitsweisen. Diese dreiteilige Blogserie zeigt, dass es für die Etablierung eines postpandemischen „New Normal“ mehrere Strategien gibt, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Unabhängig davon, ob ein Unternehmen nun eine Strategie des Remote First, der Büropräsenz oder des hybriden Arbeitens verfolgt, wichtig ist, hier nicht einseitig vorzugehen.

Ganzheitliche Transformation

Für die Einführung neuer Arbeitsweisen braucht es mehr als nur neue Homeoffice-Regelungen und digitale Werkzeuge. Notwendig ist eine ganzheitliche Transformation, die alle relevanten Aspekte umfasst und gut aufeinander abstimmt: Führung, Organisation, Kommunikation, Zusammenarbeit, Raum, Mindset und Kultur.

Co-Kreative Einbindung der Mitarbeiter

Damit das gelingt, ist es wichtig, die Bedürfnisse der Mitarbeiter gut zu kennen und zu berücksichtigen. Am besten gelingt das, indem Mitarbeiter co-kreativ in die Transformation mit einbezogen werden. Das fördert nicht nur die Akzeptanz der Veränderungen sondern erhöht auch den Erfolg.

Workplace Experience gewinnt an Bedeutung

Immer mehr Unternehmen erkennen, dass neues Arbeiten auch neue Räume braucht.  Die digitale Transformation macht eine Transformation der Arbeitsplätze und -Umfelder notwendig. Moderne Arbeitsplatzkonzepte und -Umfelder werden daher heute zunehmend zum Standard. In diesem Zusammenhang werden Fragen der Workplace Experience zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Die Unternehmenskultur ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg

Auch wenn Corona vieles verändert hat. Zumindest eines bleibt unverändert: Der Schlüssel zum Erfolg ist und bleibt die Unternehmenskultur.

Transformationsprozesse sollten daher immer eines zum Ziel haben: eine verbesserte Unternehmenskultur. Technologie und Digitalisierung garantieren uns keine attraktive Zukunft. Die Kultur und die Räume, die wir uns schaffen, werden darüber entscheiden, wie attraktiv und lebenswerte die Zukunft einmal sein wird. Und zwar nicht nur die Zukunft der Arbeit, sondern auch die Zukunft unserer Gesellschaft.

Die Herausforderungen vor denen wir stehen sind groß. Mindestens genauso groß sind aber auch die Chancen. Wichtiger denn je, sind daher New Leader, die diese Chance ergreifen und co-kreativ den Weg in eine attraktive Zukunft ebenen.



Quellenangaben zu den zitierten Studien:

McKinsey: What executives are saying about the future of hybrid work (https://www.mckinsey.com/business-functions/people-and-organizational-performance/our-insights/what-executives-are-saying-about-the-future-of-hybrid-work?utm_source=digg&utm_medium=email)

Steelcase: Prototyping the Future Work Experience (www.steelcase.com/research/articles/topics/hybrid/prototyping-future-work-experience)

NTT, Global Workplace Report, Ausgabe 2021

 

 

 






Christian Vieira dos Santos

Geschäftsführer und Arbeitswelten Designer @SYMBIOS